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Erster Virtueller Selbsthilfetag in Hessen: Ein tolles Publikum und engagierte Gastbeiträge

Nachbericht zu Samstag, 14.11.2020, 13.30-18.00 Uhr

Am Samstag, 14.11.2020, veranstalteten die Selbsthilfebüros der Paritätischen Projekte gGmbH gemeinsam mit dem Selbsthilfe e.V. Frankfurt zum ersten Mal einen Selbsthilfetag im Internet. Für die Selbsthilfebüros und die Aktiven, die viel Wert auf persönliche zwischenmenschliche Kontakte legen, ein ganz neues Format. Doch auch die Selbsthilfe wurde in diesem Jahr durch die Corona-Pandemie hart getroffen und viele Selbsthilfegruppen müssen mit der Herausforderung kämpfen, trotz der Kontaktbeschränkungen weiter füreinander da zu sein, einander zuzuhören und den unterstützenden Kontakt zu bewahren.

Selbsthilfe auch in Corona-Zeiten – Würdigung des Ministerpräsidenten Volker Bouffier

Dass Selbsthilfegruppen in diesen schwierigen Zeiten vielleicht noch wichtiger sind, als zuvor, das würdigte auch Ministerpräsident Volker Bouffier, der als Schirmherr der Veranstaltung den Tag mit einer Videobotschaft und dem Wunsch eröffnete: „ich hoffe, dass Sie all die Menschen, von denen man häufig gar nicht weiß, mit welchen Herausforderungen sie sich beschäftigen müssen, weiter begleiten können“. Bei dieser Gelegenheit dankte er auch den vielen Ehrenamtlichen in Hessen, die sich in Selbsthilfegruppen umeinander kümmern und dort mitwirken. 

Als Geschäftsführer der Paritätischen Projekte gGmbH begrüßte auch Jörg Gonnermann die rund 200 Gäste des virtuellen Formats und appellierte an den Ideenreichtum der Selbsthilfeaktiven mit Videokonferenzen und barrierefreien Formaten die Zeit des Lockdowns zu überbrücken.

Ohne persönliche Kontakte geht es auf Dauer nicht – trotzdem braucht es virtuelle Formate

Einen Anfang in dieser Hinsicht machte kurz darauf das Podiumsgespräch, dass von Mitarbeitenden aus den Selbsthilfebüros in Groß-Gerau, Offenbach und Frankfurt moderiert wurde. Der Einladung zum Gespräch „Selbsthilfe mal Anders“ zur Selbsthilfe seit Corona waren Aktive aus den Selbsthilfegruppen AA Young People Frankfurt (Anonyme Alkoholiker), der Frauenselbsthilfe nach Krebs Offenbach und aus der Gruppe „Cocaine Anonymous Darmstadt“ gefolgt. Für alle drei war klar: „Ohne persönliche Kontakte geht es auf Dauer nicht“. Gleichwohl haben alle drei Gruppen Telefon- und Videokonferenzen ins Leben gerufen, um trotz Corona Treffen zu realisieren. Ein interessanter Nebeneffekt: Inzwischen haben sich auch Menschen den Gruppen angeschlossen, die aus ganz anderen Regionen in Deutschland kommen. In Darmstadt hat man darum vor, auch „nach Corona“ mit so genannten „hybriden Treffen“ weiterzumachen. Dabei treffen sich dann einige Menschen persönlich, andere schalten sich per Video dazu. Ausprobiert wurde es bereits und habe gut funktioniert. Die Aktiven ermutigten Ihr Publikum selbst ebenfalls virtuelle Treffen auszuprobieren. Dazu bot „Kathy“ von den AA Young People spontan ihre Unterstützung in technischen Fragen an und zeigte einmal mehr den großen Zusammenhalt und das Engagement in der Selbsthilfe. 

Breites Programm mit 18 digitalen Angeboten

Im Anschluss an das Eröffnungspodium hatten die Gäste die Möglichkeit, zwischen 18 weiteren Angeboten zu wählen. Sehr gefragt waren der Chat zum Thema Datenschutz in der virtuellen Selbsthilfe und die Information zur Selbsthilfeförderung durch die Gesetzliche Krankenversicherung. Auch die Beiträge zur Chronischen Erschöpfung nach Infekten (wie Corona) und zu Chronischen Schmerzerkrankungen erfreuten sich großer Besucherzahlen. Im Beitrag zum Hören und Verstehen unter den Bedingungen von Corona machte die Referentin Gabi Schmitka von osthessischen „Hörtreff Künzell“ deutlich, wie schwierig Kommunikation für Hörbehinderte durch das Tragen von Alltagsmasken geworden ist, da diese die Mimik des Gegenübers verbergen. Insbesondere im Krankenhaus, wenn Ärzte Diagnosen mit Maske vortragen, entstünden dadurch sehr prekäre Situationen.

Virtuelles Format aktiviert Teilnehmende Angebote wahrzunehmen und Neugründungen zu versuchen

Das ebenfalls sehr nachgefragte Gespräch über narzisstischen Missbrauch und Gewalt in Elternhaus, in Beziehungen und im Beruf brachte noch während der Veranstaltung mehrere Anfragen zur Teilnahme in der Darmstädter Selbsthilfegruppe und zur Gründung einer neuen Gruppe im Odenwald hervor. Und im Chat mit Christine Müller vom Suchtlotsennetzwerk Rhein-Main gab es viele interessierte Nachfragen zum Engagement als Lotse aber auch zur Möglichkeit, sich bei Alkohol- oder Drogensucht durch einen Lotsen begleiten zu lassen. Das Interesse am Engagement freute auch Hajo Müller, der mit dabei war, um von der Tätigkeit als Lotse zu berichten, denn gerade im vergangenen halben Jahr habe die Zahl der Anfragen noch einmal deutlich zugenommen. 

Neben vielen interessanten Informationen gab es auch das Bewegungsangebot „Energyyoga im Sitzen“ und die kulturellen Angebote „Poetry Slam mit der Jungen Selbsthilfe Frankfurt“ und Geschichten und Lieder mit dem Musikbotschafter der Elfenbeinküste Dr. Urbain N’Dakon, die gerne angenommen wurden.

Insgesamt ein erfolgreicher Tag, findet das Organisationsteam des Selbsthilfetages und Annemarie Duscha vom Selbsthilfebüro Groß-Gerau resümiert: „Mit Blick auf die Technik haben wir für künftige Veranstaltungen noch Ideen, wo wir nachbessern können. Aber wir sind uns einig: Die Inhalte waren spannend, die Besucher*innen sehr interessiert. Trotz der Distanz war eine sehr gute Stimmung spürbar in den vielen wertschätzenden Kommentaren und Fragen, die uns erreicht haben. Wir hatten ein tolles Publikum und viele engagierte Gäste. Das motiviert uns, den digitalen Weg weiter zu gehen!“